Wegen der Pflasterung des Marktplatzes musste im Januar der Tisa-Brunnen auf dem Dorstener Markt abgebaut werden. Was an dieser Stelle wieder aufgebaut werden soll, darüber wird in Dorsten engagiert diskutiert. Auch der Bergbauverein beteiligt sich an dieser Diskussion. Seine Position: Natürlich muss auf den Marktplatz eine Replik dieses Brunnens, den 1961 die Dorstener Ehrenbürgerin Tisa von der Schulenburg (Schwester Paula) geschaffen hat.

Das ist der Brief, den der Vorstand des Bergbauvereins in Sachen Tisa-Brunnen an den Bürgermeister Tobias Stockhoff und den Stadtbaurat Holger Lohse geschickt hat:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrter Herr Stadtbaurat,

den Ratsbeschluss vom 24. Juni 2020 zum Thema „Tisa-Brunnen“ hat der Vorstand des Vereins für Bergbau-, Industrie- und Sozialgeschichte Dorsten e.V. als Einladung an die Bürgerschaft verstanden, sich in die Diskussion um die Zukunft eines Tisa-Brunnens einzubringen. Vor dem Hintergrund, dass der Bergbau und ganz besonders die Menschen im Bergbau das künstlerische und soziale Lebenswerk der Dorstener Ehrenbürgerin Schwester Paula entscheidend geprägt haben, wollen wir gerne versuchen, einen Beitrag zu leisten:

Der mit der neuen Pflasterung des Marktplatzes begründete Abbau des Brunnens im Januar dieses Jahres hat Fakten geschaffen. Den Tisa-Brunnen wird es wie gehabt auf dem Markt nicht mehr geben.

Den Beschluss des Rates, die von Schwester Paula geschaffenen Reliefplatten zu sichern und dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich auszustellen, halten wir für richtig. Eine solche Ausstellung sollte aber unbedingt nah zum ehemaligen Standort des Brunnens installiert werden; also beispielsweise im oder am alten Rathaus am Markt, im oder am Kloster der Ursulinen oder auch im bisher schmucklosen Seiteneingang der Agatha-Kirche zur Recklinghäuser Straße. Ein anderer Standort als die Stadtmitte, für die der Tisa-Brunnen geschaffen wurde, ist u.E. für eine solche Ausstellung nicht vorstellbar.

Soll – und wenn ja wie  – der Tisa-Brunnen ersetzt werden? Dazu sagt der Ratsbeschluss:

„Im Bereich des bisherigen Brunnens soll ein aus bauphysikalischen Gründen notwendiger Nachfolgebrunnen errichtet werden. Dem Rat der Stadt Dorsten ist dabei wichtig, dass ein zukünftiger Brunnen wie in der Vergangenheit auch eine Wertschätzung für das Wirken von Tisa in unserer Stadt zum Ausdruck bringt. Der Nachfolgebrunnen soll das Wirken von Tisa, z. B. unter Verwendung von Repliken bzw. Kopien der bisherigen Reliefplatten oder von anderen Werken (z. B. Tisas Gedenksäule an die Widerstandskämpfer Geschwister Scholl), aufgreifen.

Nach Ansicht des Bergbauvereins muss man nicht in der Bauphysik nach Gründen für die Notwendigkeit eines Nachfolgebrunnens suchen, sondern es reicht, sich auf die Texte zu konzentrieren, in denen sich Schwester Paula Anfang der 1960-er Jahre und auch später noch zu diesem Brunnen und ihrem damit verbundenen Anliegen ausführlich geäußert hat. Diese Texte sind sicher hilfreicher als der Beitrag von Frau Schröder von 1983, der im Beirat für Kunst im öffentlichen Raum, im Umwelt- und Planungsausschuss und dann auch im Rat eine wesentliche Entscheidungsgrundlage war. Anders als von Frau Schröder behauptet, hat Schwester Paula nämlich nicht Reliefplatten für einen Brunnen geschaffen, sondern in mehreren Texten nachlesbar ausdrücklich einen Brunnen als Gesamtkunstwerk für den Dorstener Markt. Der von der Verwaltung in seinen Vorlagen sicher nicht zufällig verwendete Schröder-Text steht also im krassen Widerspruch zu den Aussagen von Schwester Paula.

Natürlich muss ein Nachfolgebrunnen installiert werden, aber sicher kein Brunnen, der als eine Art Collage verschiedene Arbeiten von Schwester Paula spiegeln würde, sondern ein Nachfolgebrunnen als Replik dessen, was von Schwester Paula vor knapp 60 Jahren auf den Markt gesetzt wurde. Replik muss nicht 1:1 Nachbau mit Beton/Zement bedeuten, Replik kann auch bedeuten, von den gesicherten Reliefplatten Bronzen machen zu lassen. Nahe der Hamborner Abteikirche steht ein Brunnen – sehr ähnlich dem Dorstener Tisa-Brunnen – für den Schwester Paula die Reliefplatten als Bronzen gestaltet hat.

In der bisherigen Diskussion über einen künftigen Tisa-Brunnen (Replik) war von der Verwaltung auch das künftige Tisa-Archiv auf dem Areal der ehemaligen Zeche Fürst Leopold als Option genannt worden. Der Bergbauverein hält diesen Standort aus mehreren Gründen für ungeeignet. Natürlich war Schwester Paula sehr eng mit der Zeche und den hier arbeitenden Bergleuten verbunden, das belegen die beiden eindrucksvollen Wandbilder in der ehemaligen Lohnhalle und der Gedenkstein an die Mahnwache 1996/1997 vor den Torhäusern an der Halterner Straße. Aber der Tisa-Brunnen wurde als Erzähl- und Gedenkbrunnen zugleich ausdrücklich für den Marktplatz geschaffen. Ihn nach 60 Jahren an einen Standort quasi „abzuschieben“, der als Reservestandort der RAG-Wasserhaltung auch künftig unter Bergrecht stehen wird und deshalb eingezäunt bleiben muss, das könnte – da stimmt der Bergbauverein Lambert Lütkenhorst als Vorsitzendem der Tia von der Schulenburg-Stiftung nachdrücklich zu – tatsächlich nur eine Notlösung sein. Eine denkbar schlechte Lösung, die sicher nicht von besonderem Respekt für die Dorstener Ehrenbürgerin geprägt wäre. Aus gleichen Gründen scheidet das Tisa-Archiv natürlich auch als Ausstellungsort für die Reliefplatten des abgebauten Brunnens aus.

Wie kann die Diskussion um den Tisa-Brunnen fortgesetzt werden? Dazu sagt der Ratsbeschluss vom 24. Juni: „Die Bürgerschaft und der Beirat für Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Dorsten sind neben den bisherigen Förderern sowie Beteiligten (Sparkasse Vest in Dorsten, IPE, Tisa-Stiftung, Konvent St. Ursula, …) sowohl bei der Ideenfindung und Diskussion bei der Auswahl des Standortes für die Reliefplatten als auch der Konzeption des Nachfolgebrunnens auf dem Marktplatz durch geeignete Beteiligungsformate einzubinden.“

Mit Ratsbeschluss vom Oktober 2018 wurde ein „Beirat für Kunst im öffentlichen Raum“ gebildet, dem die Aufgabe übertragen wurde, „im Rahmen des Stadterneuerungsprozesses „Wir machen MITte“ über die Aufwertung öffentlicher Räume durch Ausstattung mit Kunstgegenständen zu entscheiden.“ Der Rat der Stadt erklärte zwar bei Einrichtung dieses Gremiums, das nach der Gemeindeordnung NRW gar nicht vorgesehen ist, die grundsätzliche Zuständigkeit u.a. des Kulturausschusses bleibe unberührt, tatsächlich stand das Thema Tisa-Brunnen aber bisher nicht im Kulturausschuss auf der Tagesordnung. Anders als der Beirat unterliegt der Kulturausschuss der Geschäftsordnung des Rates, die u.a. verbindlich regelt, welche Themen öffentlich oder auch nichtöffentlich zu behandeln sind. Der Tisa-Brunnen ist sicher kein Thema, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert werden muss.

Wenn es dem Rat wirklich darum geht, die Bürgerschaft in die Entscheidung um den Tisa-Brunnen einzubinden, ist Transparenz eine wichtige Voraussetzung für eine letztlich einvernehmliche Entscheidung. Diese Transparenz wäre gewährleistet, wenn dem Kulturausschuss die Federführung für die weitere Behandlung des Themas übertragen würde. Er könnte ein Hearing veranstalten, zu dem dann z.B. auch die beiden Dorstener Kunstvereine und der Dorstener Heimatbund eingeladen werden sollten – es fehlt in Dorsten sicher nicht an Expertise. Und natürlich ist der Bergbauverein gerne bereit, sich an einem solchen Hearing wie überhaupt an der weiteren Diskussion zu beteiligen.

Mit einem freundlichen Glückauf
Für den Vorstand

Gerhard Schute
(Vorsitzender)

Die schnelle Antwort aus dem Rathaus:

Sehr geehrter Herr Schute, lieber Gerd,
sehr geehrte Mitglieder der Bergbauvereins,

herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 29.07.2020 zum Thema „Tisa-Brunnen“, welches ich an den zuständigen Dezernenten Holger Lohse weitergeleitet habe. Wir freuen uns, dass auch der Verein für Bergbau-, Industrie- und Sozialgeschichte (Bergbauverein) an der Bürgerbeteiligung zum Tisa-Brunnen mitwirken möchte und bereits konkrete Ideen entwickelt hat.

Der Rat der Stadt Dorsten hat bekanntlich einstimmig – was das Aufstellen eines neuen/alten Tisa-Brunnen anbetrifft – eine Befragung der Bürgerschaft beschlossen. Wir würden uns sehr freuen, wenn sich hier der Bergbauverein mit Argumenten und Ideen in die Diskussion und spätere Befragung einbringen wird. An der öffentlichen Befragung der Bürgerschaft soll jede(r) (interessierte) Dorstener(in) teilnehmen können. Das sichert die größtmögliche Transparenz zu.

Unmittelbar nach den Ferien soll mit den Ratsfraktionen ein Format für eine öffentliche „Befragung der Bürgerschaft“ abgestimmt werden. Ferner freuen wir uns, dass die Firma Voßbeck-Elsebusch Replikate/Duplikate von zwei Reliefplatten anfertigen wird. Diese Reliefplatten sind aus unserer Sicht wichtig für die anstehende Beratung. Gerne nehmen wir den Bergbauverein in einen Einladungsverteiler für die Befragung der Bürgerschaft auf.

Bezüglich der Originalplatten wird es gemäß Ratsbeschluss eine weitere Bürgerbeteiligung geben. Ihre Anregungen bilden dazu sicherlich einen wichtigen Baustein für ein geeignetes Format, um alle interessierte Bürgerinnen und Bürger bzw. Gruppen und Vereine einzubinden.

Mit freundlichen Grüßen
Tobias Stockhoff
Bürgermeister

Artikel der Dorstener Zeitung zum Thema: